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Chronik aus Waltershofen

"Zu den Häfen des Walterich"
Ein Hinweis in älteren Chroniken (von 1934 und 1953) verweist auf einen alemannischen Bauern mit Namen Walterich, der dem Ort seinen Namen verlieh. Doch dies dürften reine Spekulationen sein, die auf Namensschilder wie Waltrichshouen, Waltershouen, Wältrishofen, Walternshofen und Baltarshofen zurückgehen und in verschiedenen Urkunden auftauchen. Beweise, für die Existenz eines Walterich, gibt es nicht. Genauso gut kann die Ortsgründung erst in die so genannte "zweite Rodungsperiode" fallen, die mit dem Beginn des 11. Jahrhunderts einsetzte. In diese Epoche fallen vor allem die Gründungen der "-ried-Orte" und der jüngeren "-Hofen-Orte", und aus dieser Zeit liegen auch die Mehrzahl der erstmaligen und urkundlichen Erwähnungen des Umkreises vor. Hierbei handelt es sich überwiegend um Siedlungen in Wäldern und auf Flussläufen.

Die ältesten Urkunden
Den ersten, wirklich greifbaren Hinweis, finden wir um 1280 in den Aufzeichnungen über Einnahmen der Herren der Burg Donnersberg bei Nordendorf. Wörtlich heißt es darin:
"Von einem Hof in Waltrichshouen ein Geldgefälle, 3 Malter Kern und 8 Malter Haber, 20 Käse, 4 Gänse und 6 Hühner. Vom Maierhof 2 Malter Schirmhaber"
Dass der erstgenannte Hof der Grimm'sche Hof ist und vermutlich beim heutigen Winkler-Anwesen gelegen hat, belegt eine Urkunde vom 14. Mai 1287: "Die Nonnen des Klosters zum Stern kaufen von Manegold von Richershofen einen Hof zu Waltershofen, der Grimenhof genannt, und den Zehenten desselben. Den Hof hatte der Verkäufer von Berthold, Truchsess zu Donnersberg, Onkel des Bischof Siegfried von Augsburg, zu Lehen."
Über den angesprochenen Maierhof gibt es keine weiteren Hinweise. Diese Urkunde belegt auch, daß das Hochstift Augsburg zu dieser Zeit Besitzungen in Waltershofen inne hatte. Wer alles Grundbesitzungen im Ort hatte, zeigen einige weitere Dokumente.
Um 1300 verkaufen die Gebrüder Berthold und Siegfried Truchsessen zu Kühlental ihren Hof an die Abtei Kaisheim und in deren Büchern findet sich unter dem Namen"Waeltrichshouen" ein Eintrag über Abgaben: Geld, bestimmte Mengen Kern und Hafer, sowie 36 Käse, 12 Hühner und 200 Eier.

Im Jahr 1335 vergibt Berthold Graf von Graisbach und Marstetten neun Tagwerk Wiesenmahd an die Bürger von Rennertshofen als Lehen. Die Wiesen gehören "zu einem Hofe nach Waltershouen". 3 Tagwerk liegen bei der "Galgenmühle zu Höchstätt" und 6 Tagwerk bei der "Munichsmühle". Noch im gleichen Jahr kauft die Äbtissin von Niederschönenfeld diese Wiesen.
Eine bei Ellgau gelegene, zweigeteilte Wiese, gebaut zum einen Teil Marquart, genannt "Frans von Waltershofen", den anderen Teil verkauft Stephan Uerb aus Westendorf am B. Dezember 1363 an das Kloster Kaisheim.

Der Grimenhof
Auch die Geschichte des bereits erwähnten lässt sich anhand von Dokumenten weiter verfolgen: Schwester Klara Vögelerin vom Sternkloster Augsburg verkauft am 12. Dezember 1397 "ihren Hof zu Waltershofen" für 41 Gulden an Ulrich Wortz aus Westendorf.
Zeugen dieses Kaufes sind Ulrich Strohmayer aus Waltershofen und der Klosterknecht Heinrich Ling.
Bereits am 3. Januar 1421 wird der "ehrsame und weise Bürger Johann von Enndorfer und dessen Hausfrau Luzia" Eigentümer des Hofes "zu Waltershofen". Der Kaufpreis beträgt 86 Gulden. Am 15. Februar 1525 tauscht St. Ulrich von Konrad Rehlinger dessen Hof und 3 Äcker zu Waltershofen ein. Dabei handelt es sich um den "Grimenhof" aus dem 13. Jahrhundert der "frei, ledig, unvogt-, unzehnt-, undienst- und unsteuerbar" war. Ein Kaufangebot aus dem Jahr 1623, in Höhe von 1789 Gulden durch das Hochstift Augsburg, wird abgelehnt. Im Jahr 1641 unterstand der Hof dem Klosteramt Wengen. In Folge der hohen Schuldenlast des Reichsprälaten von Langenmantel wird der Hof am 16. Dezember 1776 an Fürstbischof Clemens Wenzelslaus verkauft.

Festprogramm

Augsburger Patrizier in Waltershofen
Neben dem Hochstift und verschiedenen anderen Grundherren sind auch reiche Augsburger Bürger und Patrizier in Waltershofen dokumentiert. Die Familien Ilsung und Walter im Jahr 1492, Adelige wie Veronika Welser (1504), Konrad Rehlinger (1513) oder der Kaufmann Haller um 1576.
Doch Aufgrund von Brandschatzungen und Verwüstungen auf ihren Landbesitzungen wurden diese im allgemeinen bald wieder aufgegeben. Von 1556-1569 gab es anscheinend Streitigkeiten mit der Gemeinde Thierhaupten, aufgrund von Aufschüttungen am Lech, die nicht die Zustimmung Waltershofens fanden.
Von einer Wirtschaft mit eigener Brauerei ist seit dem 25. April 1567 die Rede, als der Wirt Hans Müller von Waltershofen "ein Höflein von Kaspar Langenmayer zu Lehen" erhält.
Über Leonhard Schankemüller geht dieser Hof am 20. Oktober 1653 auf den Wirt Jakob Rieger von Waltershofen über.
Im Jahre 1801 wird Waltershofen als Dorf im Hochstiftsgebiete von Augsburg und im bischöflichen Pflegamte von Westendorf geschildert.
Doch schon am 25. März 1803 zog der bayerische Staat das Hochstiftsgebiet an sich und auch Waltershofen steht damit unter bayerischer Landeshoheit. 1823 gehört das Dorf zur Pfarrei Westendorf und zum Landgericht Wertingen.

Eine Feuerwehr und hoher Staatsbesuch
Im Jahre 1908 wird dem zunehmenden Brandrisiko durch Gründung einer freiwilligen Feuerwehr entgegengetreten. Das Gründungsprotokoll weist 16 Stimmberechtigte mit zusammen 25 Stimmen (je nach Grundbesitz hatten die Berechtigten eine, zwei oder sogar drei Stimmen) aus, die den Antrag einstimmig befürworteten. Noch im Juni 1908 wird umfangreiches Gerät zum Preis von 233,50 Mark angeschafft und im selben Jahr schon verfügte die Wehr über eine eigene Feuerlöschspritze, die für 950 Mark erstanden wird. Prominenter Besuch findet sich 1910 in Waltershofen ein: Anlässlich der Einweihung des neuen Lechüberganges nahe Waltershofen erscheint Prinzregent Luitpold von Bayern persönlich. Als Gastgeschenk der bayerischen Regierung überbringt er mit dem heiligen Nepomuk eine aus Holz geschnitzte Brückenfigur, die zunächst einen Platz in der Mitte des Flußüberganges erhält, und seit 1965 auf der Westseite des Lechs zu finden ist. Besonderes Verhandlungsgeschick entwickelten die Ortsvertreter im Jahre 1919 als die Lech-Elektrizitätswerke zum Zwecke des Kanalbaues Grundstücke in Waltershofen ankaufen mussten.
Festprogramm Die Straßenbeleuchtung, die anfallenden Reparaturen sowie die Stromlieferung hierzu hatte die LEW selbst zu tragen. Ferner erhielt Waltershofen freien Strom für gemeindliche Licht- und Heizzwecke, eine Kraftanlage bis zu einer Stärke von 10 PS und freien Betrieb eines Elektromotors für Dreschzwecke der Gemeindeangehörigen. Hinzu kamen je eine Lampe in Amtstube, Spritzenhaus und Ortskapelle sowie zwei Lampen im Gemeindehaus.
Ein Arbeitsvertrag vom 25. Januar 1920 zwischen den Gemeindevertretern und dem Zimmermann Diefenthaler aus Westendorf, dokumentiert den Bau des heute noch erhaltenen Gerätestadels zum damaligen "Akkordlohn" von 11904 Mark. Auch der 2. Weltkrieg hinterließ seine Spuren in Waltershofen: zwischen 1945 und 1952 konnte der Verkehr über den Lech nur durch einen Fährbetrieb aufrecht erhalten werden, ehe dann eine Holzbrücke, anstatt der gesprengten ersten Brücke, errichtet wurde.
Bestreben nach Unabhängigkeit 1953 schließlich erreicht eine Entwicklung ihren Höhepunkt, deren Ursprung bereits auf das Jahr 1871 zurückgeht: Das Streben der Waltershofener nach Selbstverwaltung und Unabhängigkeit von Westendorf.
Bereits damals wurde eine Eingabe an das königliche Bezirksamt Wertingen herbeigeführt, die Loslösung der Filialgemeinde Waltershofen von Westendorf und Gründung einer eigenen Bürgermeisterei beantragt. Die vom damaligen Ortsführer vorgetragenen Gründe waren die Ortsgröße mit 22 Hausnummern, der Grundbesitz der Gemeinde mit rund 300 Tagwerk, rund 400 Tagwerk Gemeindegründe, ein eigenes Armenhaus, eigene Schafweiden und Jagd, eigene Verwaltung bei der Rechnungsführung, und vor allem die schlechte Fußwegverbindung zum 3/4 Stunden entfernten Bürgermeisteramt in Westendorf. Ferner werden die entstehenden Kosten Für jeden Gang des Bürgermeisters nach Waltershofen (8-10 Gulden extra), die Kosten für Flurschütz, Gemeindediener und Schreiber aufgeführt. Der gewählte Ortsvorsteher und seine vier Ratsmitglieder leiten die Geschicke des Ortes, die eigene Kasse, die Rechnungsführung sowie Steuer- und Abgabeneinzug belegen die faktische Selbstverwaltung trotz der Zugehörigkeit zu Westendorf, so heißt es im Eingabeschreiben weiter.
Ein Erfolg jedoch blieb dieser Eingabe letztendlich versagt. Im Jahre 1935 wurde diese faktische Selbstverwaltung durch Regierungsbeschluss endgültig beseitigt und die Gemeinde an Westendorf noch enger angegliedert.
Doch die Reibereien und Streitigkeiten gingen weiter: 1938 lässt Westendorf das Gemeindehaus mit dem angebauten Feuerwehrhaus abreißen, so dass die vorhandene Spritze mehr als notdürftig und völlig unzureichend im Gerätestadel untergebracht werden muss. Die von Mitgliedern im Jahre 1929 erstandene Glocke wird von Westendorf abtransportiert und abgeliefert, um einen Teil des eigenen Geläutes zu retten. In Waltershofen gibt es bis 1953 kein Geläut um zumindest die Feuerwehren zu alarmieren.
Im Jahr 1953 schließlich starten die Bürger einen erneuten Versuch sich vom "ungeliebten" Westendorf loszusagen: Eine 6-seitige Denkschrift wird verfasst und zusammen mit einer Willensbekundung bei der Ortsversammlung vom 22.11.1952 wird auf dem Dienstwege der Antrag an das Bayerische Staatsministerium des Inneren gestellt, die Erneuerung Waltershofens zur selbstständigen Gemeinde zu verfügen.
Auch die Aufforderung des Landrates Rauch aus Wertingen, mit Schreiben vom 9. Januar 1953, diesen erfolglosen Antrag zurückzuziehen, bleibt erfolglos.
In dieser Denkschrift werden noch einmal die unzumutbaren Zustände dargelegt: mit 427,09 Tagwerk ist Waltershofen als eigenständige Gemeinde lebensfähig, der Unterhalt der Straße wird seitens der Gemeinde grob vernachlässigt, das Feuerlöschwesen ist in Waltershofen total veraltet, die gegen Kriegsende abtransportierte Glocke wurde nicht zurückgegeben obwohl sie zur Alarmierung bitter nötig gewesen wäre und obwohl sämtliche Steuereinnahmen und eine jährliche Pacht für die Jagd in Höhe von 180 Mark nach Westendorf fließen, ist seit 1935 "keine Mark" nach Waltershofen zurückgekommen. Dem sprunghaften Anstieg der Bevölkerung nach dem Kriege (begründet durch das Ansiedeln der Siemens-Plania-Werke in Meitingen) ist seitens Westendorf niemals Rechnung getragen worden. So blieben viele Wege im Ort ohne Asphalt-Decke.
Festprogramm Als wesentlicher Punkt der Benachteiligung wird angeführt, dass Waltershofen nur mit einem Gemeinderat in Westendorf vertreten ist und somit die Anliegen und Ansprüche seiner Bürger nicht durchsetzen kann (gegen 7 Westendorfer Räte). Doch auch dieser neuerliche Versuch wurde von den zuständigen Stellen zurückgewiesen.
Schulstreik
Eine Auseinandersetzung ganz besonderer Art nahm 1956 ihren Lauf: die Frage nach der Lösung des Problems im Zusammenhang mit dem langen und gefährlichen Schulweg der Waltershofener Kinder nach Westendorf.
Nach erfolglosen Verhandlungen, in denen die Verantwortlichen offenbar nicht bereit sind die Kinder der Ostendorfer Schule zuzuteilen, kommt es zum Aufstand. Aus den Aufzeichnungen des damaligen Ortsvorstehers Johann Ortner: "Am 21. 2. 1956 beginnt der Streik, 18 Kindergehen nicht nach Westendorf, ich musste den Streik beim Schulamt Wertingen anmelden. Kultusministerium, Regierung Augsburg, Helmschrott Gersthofen, Schulamt und Landrat sind beteiligt. In der Woche vor Ostern werden die Streikenden und ich vom Schulverbund und Schulleiter Westendorf angezeigt und sehen unserer großen Strafe entgegen. Das alles nur wegen der Suche nach einem kürzeren und nicht so gefährlicherem Schulweg."
Wie lange der Schulstreik letztendlich dauerte, geht aus den Aufzeichnungen nicht hervor, Tatsache ist nur, dass die Eltern Strafen zwischen 45 und 54 Mark, Johann Ortner eine Strafe von 85 Mark, auferlegt wurden. In einer Verhandlung mit Streikenden und Rechtsanwalt wurden diese Strafen dann am 26. 7. 1956 "voll und ganz nachgelassen."
Der Erfolg der Aktion wird mit Beginn des Schuljahres 1956/57 deutlich: Am 3. Oktober gehen in Ostendorf 21 Kinder aus Waltershofen zur Schule (Westendorf 10), im darauf folgenden Jahr sind es bereits 23, und nur noch 6 Kinder die nach Westendorf gehen.
Die Selbstverwaltung hat Waltershofen nicht mehr erreichen können, aber die Loslösung von Westendorf erfolgte am 1. Januar 1972 durch die freiwillige Angliederung an die Gemeinde Meitingen. Rund 450 Waltershofener wurden somit zu Meitinger Bürgern, die zu diesem Zeitpunkt tätigen drei Gemeinderäte in Westendorf legten ihre Ämter nieder und die Bevölkerung wählte einen Vertrauensmann für den neuen Ortsteil.
Festprogramm Nach 100jährigem Bestreben nach Unabhängigkeit und Selbstverwaltung ist Waltershofen in den letzten 30 Jahren zu einem festen Bestandteil der Marktgemeinde Meitingen geworden.